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Von Grebbin nach Pinnow

Sonntag, 19. Juli 2020

Nebel

Wieso nennt man einen Fluss Nebel? Die meisten haben bei diesem Namen wohl automatisch folgendes Bild im Kopf: Geheimnisvoll graues, halb unsichtbares Wasser, über dem Luft aufsteigt, die besonders viele kondensierte Wassertröpfchen enthält. Nebel halt.
Bei entsprechender Wetterlage sieht die Nebel vermutlich auch so aus. Ich persönlich habe jedoch noch nie Nebel an der Nebel gesehen, wenn ich diesem ungewöhnlichen Nebelfluss der Warnow begegnet bin.
Wer den Namen wirklich verstehen will, muss ihn rückwärts lesen. Dann wird daraus Leben, und das passt schon viel besser. Die Nebel ist nämlich einer der saubersten und artenreichsten Flüsse in MV und ein richtiger Lebensspender. Wer im Frühling in das klare Wasser guckt, dem bietet sich ein ganz großes kleines Kino aus winzigen Fischen, Köcherfliegenlarven und Muscheln. Aber auch von Menschen gezüchtetes Leben versorgt die Nebel, nämlich Fischteiche mit Aalen und Forellen.

Die Quelle der Nebel liegt in der Seenplatte und ist deswegen selbst ein kleiner See. Früher war der Kraatzer See die Quelle, bis der 500 Meter entfernte Malkwitzer See durch einen Graben angeschlossen wurde und als erster See zur Quelle avancierte. Wenige Meter entfernt liegt die Wasserscheide zwischen Nord- und Ostsee, die Bäche auf der anderen Seite des Hügels fließen schon zur Elbe.
Nach dem Kraatzer See kommen noch der Hofsee, Orthsee und Linstower See. Diese Miniseen bilden das Naturschutzgebiet Obere Nebelseen, das zwischen den großen Wasserflächen der Seenplatte kaum auffällt.

Neben zahlreichen Lebewesen versorgt die Nebel auch noch Wassermühlen mit Energie. Die erste große Mühle steht bei Dobbin.

Einen großen See hat die Nebel auch noch, sie strömt durch den Krakower Obersee und Krakower Untersee. Die beide bilden eine Acht, achten genau auf die vielen Bewohner der Nebel und sprudeln vom Fluss beeinflusst nur so von Leben.

An der Nordspitze fließt die Nebel wieder aus dem See heraus und kreuzt die Straße nach Serrahn. Die gehört zum Kummerower-See-Radweg und ist zugleich die Südspitze eines Rundwanderwegs am großartigsten Abschnitt der Nebel.

Der Fluss verschwindet jetzt im Wald, der Trampelpfad an seinem Ufer verliert sich immer mehr. Ab und zu unterbricht eine Wiese den Wald.

Hier durchquert die Nebel einen Sumpf, und deshalb verläuft der Wanderweg ganz woanders.

Erst an dieser Holzbrücke sind wir dem Fluss erneut begegnet. Da wird es dann richtig interessant.

Fundamente und Überreste im Wasser verraten, dass an dieser Stelle mal eine steinerne Brücke stand.

Hier konnten wir durch einen Teil des Nebeldurchbruchtals wandern. Es ist vier Kilometer lang, und auf dieser Strecke fließt die Nebel 14 Höhenmeter bergab und lässt sich weder von Steinen noch von alten Bäumen oder Inseln aufhalten. Naja, aufhalten lässt sie sich schon, aber nicht endgültig. Ihr Wasser legt um diese Hindernisse gern mal einen Extrabogen zurück oder bildet eine Stromschnelle. Dieses Wasserlabyrinth ist ein toller Anblick. Wir haben unser neues Lieblingstal in MV entdeckt - noch besser als das populäre Claasbachtal oder die Warnowtäler (immerhin kann man hier dichter ans Wasser und es gibt mehr als eine intakte Brücke).

Die größte Insel ist die herzförmige Verlobungsinsel. Wer sich dort verloben will, muss zuerst über einen umgestürzten Baum nach drüben krabbeln.

An der nächsten Holzbrücke endet der begehbare Abschnitt des Tals, jetzt entfernt sich der Wanderweg wieder vom Fluss.

Wer trotzdem am Wasser entlangwandern will, muss sich keine Sorgen machen. Vorausschauend haben die Menschen per Rohr einen Teil der Nebel angezapft und einen kleinen, ordentlichen Waldkanal geschaffen. Zu welchem Zweck?

Zuerst befindet sich am Kanal eine Kneippanlage mit hölzernem Geländer und Bänken, und dann bewässert er irgendwelche Teiche und Seen, wahrscheinlich zur Fischzucht.

Der Wanderweg hat auch noch zwei archäologische Besonderheiten. Vom Hügelgrab ist kaum etwas zu erkennen, zum Glück steht da ein Schild, das darauf hinweist.

Vom alten Burgturm ist etwas mehr übrig. Da sind wir draufgestiegen und einmal auf der Mauer herumgelaufen. Die besteht auch nur größtenteils aus Erde und Pflanzen, welche die wenigen verbliebenen Steine zusammenhalten. Hier stand die ultimative Low-Budget-Version einer Burg, also einfach nur ein einsamer Turm, in den die lokalen Adligen per Leiter reingeklettert sind.

Hier fließt die Nebel erneut durch ein beeindruckendes Sumpfgebiet. Wir sind im frühen Frühling durchgewandert, als noch keine Blätter wuchsen. Dadurch konnten wir sehr weit zwischen den Bäumen durchsehen - im Sommer lässt sich bestimmt nicht so gut erkennen, wie weit sich die Sümpfe erstrecken.

Über die Sumpfnebel führt ein Steg ins Dorf Kuchelmiß, wo weitere Teiche die Nebel säumen.

Dort entdeckte ich eine einheimische Rinderart, die ich Helikuhptereltern nenne.

Wir sind der Nebel noch ein Stück weiter vorbei an Kuchelmiß gefolgt. Mit den matschigen Hindernissen auf dem Weg wurden wir locker fertig.

Am Randgebiet des Dorfes entdeckten wir eine besonders große und irgendwie sehr ästhetische Stromschnelle. Das spiegelglatte Wasser trifft ganz plötzlich auf eine Reihe großer Steine, stürzt spiegelglatt nach unten und rauscht dann alles andere als spiegelglatt weiter. Ob die natürlichen Ursprungs ist? Wahrscheinlich nicht.

Daneben sind die Reste der Teufelsbrücke zu sehen. Schon wieder eine eingestürzte Brücke, was haben die damals nur mit ihren Brücken gemacht?


Dieses Hinweisschild links könnte Arachnophobiker derart verstören, dass sie tatsächlich keinen Müll im Wald zurücklassen. Indem sie nie wieder in den Wald gehen.

Das Ende des Wanderwegs erreichten wir am Wasserturm von Kuchelmiß, der sich hinter einem lustigen Baum verbirgt.

Hier zweigt ein Arm der Nebel ab, der mit einer Fischtreppe versehen wurde. Diese Fischtreppe sieht tatsächlich wie eine Treppe aus, wenn auch eine sehr, sehr flache. Das liegt wohl daran, dass hier genug Platz ist, um fünf Meter Mindestabstand zwischen den Stufen zu gewährleisten. So fügt sie sich so weitaus besser in die Natur ein als andere Fischtreppen.

Was haben Berlin und Kuchelmiß gemeinsam? Eine Museumsinsel. Die Insel wird von den beiden Armen der Nebel umschlossen und hat ein kleines Museum über die Nebel, das nur aus Texttafeln mit kleinen Bildern besteht.

Anschaulicher ist das Museum über die alte Wassermühle. Hier wurde noch echt lange, bis 1972, mit Wasserkraft Getreide gemahlen. Das alte hölzerne Wasserrad wurde irgendwann durch eine Francis-Turbine aus Stahl ersetzt. So ein Teil habe ich mal in einem riesigen Pumpspeicherwerk in der Schweiz gesehen. Es in einer Mecklenburger Mühle wiederzufinden, hat mich doch überrascht.

Auch in anderer Hinsicht wurde diese Anlage moderner: Frau Mevius leitete hier als erste Müllermeisterin in Mecklenburg eine Mühle.

Die größte Stadt an der Nebel ist die künstlerische Barlachstadt Güstrow mit ihrem grauen Monster von Schloss. Die Nebel wurde hier kanalisiert und begradigt, um Platz für eine Brücke zu schaffen.

Auf dem letzten Stück fließt sie neben dem Bützow-Güstrow-Kanal, der sie eher schmal und schmächtig aussehen lässt. Zum Schluss mündet sie in den Kanal, und beide fließen bei Bützow in die Warnow.


Querverbindung: Von Bützow nach Krakow

Warnow-Querverbindung zur Seenplatte: Kanäle und Kunst
gefahren im: Oktober 2013
Start: Bützow, Innenstadt
Ziel: Krakow, Lütt Hütt
Länge: 37 km
Nebelquerungen: 2, Kanalquerungen: 1
Ufer: bis Güstrow rechts vom Kanal und links der Nebel
Landschaft: Kanalallee, Schilfseen, Matschwald
Wegbeschaffenheit: Erde und Matsch
Steigungen: später einige leichte
Wetter: Sonne und Regen
Wind: kaum
Größte Hürde: kaputte Gangschaltung im Matschwald
Highlight: Wildpark Güstrow
Zitat des Tages: "Ahuuu!" (Wolf im Wildpark)

Wie kommt man von der Warnow zur Mecklenburger Seenplatte? Nehmen Sie einfach den Radfernweg Berlin-Kopenhagen. Besonders schön an dieser Querverbindung ist die erste Hälfte.
In Bützow mündet die Nebel in die Warnow. Weil sie für den Schiffsverkehr nicht geeignet ist, verläuft neben ihr der schnurgerade Bützow-Güstrow-Kanal. Und dazwischen führt der Radweg auf einer Allee entlang, direkt neben dem Kanal. Der Weg besteht aus Erde oder Betonplatten, ist aber meistens ganz gut befahrbar.

Auf dem Weg liegt eine Klappbrücke,...

...ein paar Rastplätze und Schleusen mit rauschendem Wasser. Die Preußen haben diese Wasserstraße im 19. Jahrhundert gebaut. Eigentlich wollten sie den Kanal durch Krakower See, Plauer See, Elde und Havel bis nach Berlin weiterführen (also ungefähr am heutigen Radfernweg Berlin-Kopenhagen), aber da waren die Augen mal wieder größer als das Geld.

Deswegen sind da auch nicht so viele Schiffe unterwegs wie ursprünglich geplant. Das freut diesen Schwan.

Sobald sich neben dem Kanal die bunten Häuser von Güstrow erheben, müssen wir einmal runter vom Kanalweg...


...und zack, schon sind wir inmitten der bunten Häuser von Güstrow. Das ist jetzt nicht die schönste der Mecklenburger Städte, aber ein paar interessante Sachen gibt es hier.

Güstrow nennt sich Barlachstadt, das steht so auf dem Ortsschild. Der Künstler Ernst Barlach hat hier laute Figuren geschaffen, die in einem Museum, im Dom und anderswo herumstehen. Die zeigen lauter echt aussehende Menschen, die irgendwas im Partizip I machen: Die lachende Alte, Der lesende Klosterschüler, Der Schwebende...
In der Innenstadt stehen dagegen Statuen von Tieren. Diese hier erinnert zum Beispiel an die Geschichte von Fuchs und Igel, die Jon Brinckman hier auf Niederdeutsch verfasst hat.
Allerdings hat Güstrow auch echte Tiere. Die befinden sich im Wildpark, wo die Tiere anders als im Zoo deutlich mehr Platz haben. Das führt dazu, dass man etwas genauer gucken muss, um beispielsweise einen Wolf zu entdecken, aber meistens kriegt man zumindest weiter hinten ein paar zu sehen. Diese Beobachtungen können Sie auf hohen Holzwegen oder in niedrigen Tunneln machen, letzteres geht nur für Kinder und kriechende Erwachsene. Achtung: Kinder sind unberechenbar und können unter Umständen die Raubtiere links liegen lassen, weil die kleinen Tiere viel faszinierender sind, zum Beispiel die Schnecken.

Außerdem hat Güstrow noch ein großes graues Monster von einem Schloss. Von dem habe ich sogar Bilder. Außen ist es von einem Schlossgarten umgeben, der wie alle Schlossgärten aus zurechtgeschnittenen Hecken besteht.

Der Innenhof dagegen sieht etwas kahl aus. Das Museum enthält Gegenstände aus verschiedenen Klöstern und Kirchen Mecklenburgs, darunter auch etwas aus Rostock: Ein Kreuz aus dem Kloster zum Heiligen Kreuz.

Für Kinder kann die äußere Erkundung des Schlosses mitunter sogar spannender sein.

Nach Möglichkeit sollten die Kinder das Schloss aber nicht zum Einsturz bringen.

Außerdem ist Güstrow von einer Menge Wasser umgeben. Dort befindet sich der sogenannte Inselsee inklusive Insel. Den Bützow-Güstrow-Kanal und die Nebel kennen wir ja schon.

Vom restlichen Weg habe ich leider kaum Fotos. Ich erinnere mich vorwiegend an matschige, verregnete und leicht hügelige Waldwege, auf denen meine Gangschaltung kaputtging, und an eine Reha-Klinik, in die wir vor dem Regen flohen.

In Krakow tauchen die Radler dann aus den Wäldern auf und erreichen auf dieser Straße den ersten großen Mecklenburger See.